Festplatte kaputt – Datenrettung mit Testdisk und Photorec

Von | 9. März 2015

Ausgangssituation

xperia-sp-244Es passiert schnell: der Laptop wird auf dem Sofa bedient und fällt in einem unachtsamen Moment auf den Boden. Die Festplatte erleidet einen Schaden und bootet nicht mehr.

Auf der Platte befinden sich wichtige Dateien, Bilder und Dokumente, von denen es keine Sicherheitskopie gibt.

Eingrenzung des Problems

Hier ist Datenrettung angesagt. Doch das gestaltet sich leichter gesagt als getan. Gerettet werden soll ein Bildverzeichnis inklusive Ordnerstruktur. Wohlgemerkt:  Die Daten sind nicht gelöscht, jedoch ist der Lesekopf der Festplatte ganz offensichtlich beschädigt. Somit hat der Aufprall wahrscheinlich einen Fehler am Dateisystem erzeugt. Schließt man die Festplatte an einen PC an, wird diese noch erkannt, jedoch erscheint eine Fehlermeldung

Hilfe vom Dienstleister?

Die verlorenen Bilder haben einen solchen ideellen Wert, so dass der erste Gedanke ist, eine professionelle Firma  mit der Datenrettung zu beauftragen. Eine erste Übersicht der Kostenvoranschläge bringt aber schnell Ernüchterung: Eine Rettung bzw Reparatur der Festplatte kann bis zu 3000 € und mehr kosten. Beim Kundenservice von Saturn würde es in der ersten Stufe (Wiederherstellung der Daten ohne physischen Zugriff auf die Platte) immer noch ca 800 € kosten. Zudem erscheinen nicht alle Datenrettungsfirmen als vertrauenerweckend im Umgang mit persönlichen Daten.  Dies kann also nur das letzte Mittel sein. Wir probieren es zunächst auf eigene Faust.

fehlgeschlagene Maßnahmen

In unzähligen Forumsbeiträgen ist von Fällen zu lesen, in denen Inhalte von kaputten Festplatten gerettet werden können. Der für diesen Fall nächstliegendste Aspekt wird in einem Heiseartikel  behandelt.

Nicht geholfen haben verschiedene Artikel zu ddrescue. Der Versuch, eine Image-Datei mit ddrescue herzustellen, ist bei meinem Problem leider fehlgeschlagen.

Der Versuch, unter Windows die Festplatte mit passenden Tools wie chkdsk zu reparieren, hat diese leider endgültig zerstört. Sie ist nach diesem Versuch auch nicht mehr unter Linux zu erkennen. Glücklicherweise hatte ich die nachfolgenden Schritte zu diesem Zeitpunkt bereits durchgeführt.

Die Lösung

Als ersten Schritt baue ich die Festplatte zunächst aus dem Laptop aus  und setze sie in ein stand-alone USB-Gehäuse ein. Solche Gehäuse gibt´s für 10 € beim Computerhändler des Vertrauens.

Das Betriebssystem, mit dem Datenrettung am effizientesten vonstatten geht, ist Linux. Ich besorge mir also ein kostenloses Linux- System und einen ausgemusterteten Laptop. Meine Entscheidung fällt auf Linux Mint mit der graphischen Oberfläche Xfce. Dieses System ist auch für weniger erfahrene Linux – User gut zu bedienen.

Wir schließen nun die kaputte Festplatte an den Linux Rechner an. Ergebnis: Das Laufwerk der Platte wird nicht erzeugt, aber die Platte selbst wird erkannt. Über das Linux-System-Tool „Datenträger“ erhalte ich die Info, dass die Platte offensichtlich beschädigt ist und kurz davor steht, unlesbar zu werden.

Also schnell ein Tool suchen, mit dem sich die noch nicht beschädigten Daten auslesen lassen. Ich finde Testdisk, das zusammen mit dem Recovery-Programm Photorec in der Lage ist, ein Abbild des bisher auf der Festplatte  konfigurierten Laufwerks zu erzeugen. eine detaillierte Anleitung zur Bedienung von Testdisk kann man hier nachlesen.

Schritt 1:  image.dd mit Testdisk erzeugen

In Testdisk gibt es die Möglichkeit, ein Abbild der gesamten Festplatte zu erzeugen. Ich habe es hier mit einer 500 GB Platte zu tun, so dass dies ein wenig Zeit erfordert. Mein Versuch hat ca 6 Tage gedauert, in denen der Rechner Tag und Nacht durchlief. Geduld ist also geboten.

Das Image wurde dann aber tatsächlich erfolgreich erstellt, jedoch meldete Testdisk einige Lesefehler, bei denen beschädigte Dateien übersprungen wurden. Beim Versuch, das Image  als Festplatte unter Linux zu mounten, bekam ich allerdings dann eine Fehlermeldung.

Trotz der Fehlermeldungen beim Auslesen der Platte existiert nun eine ca 500 GB große image.dd Datei, die ich zwar nicht als Laufwerk anmelden kann, aber auf die ich nun tatsächlich mit Photorec zugreifen kann.

Schritt 2: Daten mit Photorec wiederherstellen

Bevor die Daten recovered werden können, muss ein Pfad mit genügend Speicherplatz definiert werden. Ich entscheide mich dafür, eine zweite, leere externe Festplatte (1 TB) anzuschließen und alle geretteten Daten dorthin zu schreiben. Unter Photorec wird nun das Image als Quelle ausgewählt und ein Zielverzeichnis auf der externen Festplatte erzeugt. Da ich zunächst nur Bilddateien suche, grenze ich das Dateiformat entsprechend ein.

Nun heißt es wieder warten. Photorec sucht nun alle noch brauchbaren Bilddateien und schreibt sie auf die externe Platte. Dies dauert mindestens noch einmal ca 3-4 Tage (und Nächte).

Schritt 3:  Ordnung schaffen

Als Ergebnis finde ich auf der externen Platte verschiedene Ordner mit ca 20.000 Bilddateien, die aber leider nicht mehr den original-Dateinamen besitzen. Unter ihnen befinden sich auch viele Cache-Bilder aus dem Webbrowser, die gar nicht mehr benötigt werden und sofort gelöscht werden können. Zudem begrenzt Photorec die Anzahl der Dateien pro Ordner und hat somit ca 50 Verzeichnisse erzeugt.  Das ist sehr unübersichtlich, so dass nun alle Bilder sortiert werden müssen. Hier helfen immerhin die Exif- Daten der Bilder, die größtenteils noch vorhanden sind und mit einem Exif-Viewer eingesehen werden können.

Fazit

Datenrettung auf eigene Faust ist mit geeigneten Tools möglich, aber sehr aufwendig, wenn es sich um sehr große Festplatten handelt. Trotzdem hat es uns einige tausend Euros erspart und wir sind froh, dass wir die Bilder zurückerhalten haben.  wieder einmal bestätigt sich, wie wichtig es ist, ein Backup der wichtigsten Daten zu haben, daher haben wir sofort eine weitere externe Festplatte (diesmal mit Aufprallschutz) bestellt und dort die Daten gesichert.

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